Schon seit November fühlte Martin sich nicht mehr richtig wohl. Ein Leistenbruch, dessen OP aufgrund von Corona verschoben wurde, Müdigkeit, Abmagerung und zugleich ein zunehmend praller Bauch, dessen Ursache zunächst nicht erkannt wurde. Erst Anfang März wurde dann die Diagnose gestellt: Ein in den Bauchraum metastasierter Tumor unklaren Ursprungs. In der onkologischen Abteilung des Regionalkrankenhauses wurde die Behandlung mit einer Chemotherapie begonnen, die Martin dann Zuhause in Tablettenform fortsetzen konnte.
Uns allen war klar, dass Martin‘s Erkrankung nicht heilbar sein würde, aber die Chemotherapie gab zumindest Hoffnung, dass vielleicht doch etwas mehr Lebenszeit möglich sein könnte.
Martin wollte nicht ohne Weiteres „die Flinte ins Korn“ werfen. Die erste Runde der Chemo-Tabletten nahm er tapfer ein, aber sie zerrte ihn auch noch weiter aus. Zum Essen schien er sich eher zu zwingen, vieles vertrug er auch nicht. Als er sich eines Morgens auf die Waage stellte, war er selbst überrascht, dass sie über 20 kg weniger anzeigte. Die Zeiten, in denen er Kraft fand zum Telefonieren, sich an den PC zu setzen, Dinge zu regeln oder sich einfach nur etwas zu unterhalten, wurden kürzer und das Bedürfnis nach Ausruhen und Stille nahm zu. An den Zoom-Gottesdiensten seiner Gemeinde nahm aber bis zum Schluss teil.
Nochmal eine weitere Chemo, dafür fehlte Martin sowohl die Kraft als auch die Überzeugung, dass es Sinn macht. Gott sei Dank hatten wir mittlerweile ärztliche Unterstützung gefunden, sodass die medizinische Versorgung auch Zuhause sichergestellt war und uns die große Sorge vor unnötigen Qualen und ungewollter Krankenhauseinweisung genommen war.
Martin vertraute darauf, dass er in Gottes Hand ist und uns schien es, dass er längst auf sein Sterben vorbereitet war – in den äußeren Dingen, aber vor Allem zutieftst in ihm selbst. Vor einigen Wochen erzählte er uns (Gita, Toms, Tabita), wie der Krebs sein Leben geprägt hatte -angefangen mit seiner Hodenkrebserkrankung vor 40 Jahren, als man ihm eine kurze Lebenserwartung prophezeite, über die abgründige Erfahrung in der Begleitung von Aija in ihren Tod bis hin zur gegenwärtigen Erkrankung. Martin war es sehr wichtig zu sagen, dass diese Erfahrungen nicht nur negativ und furchtbar waren, sondern ihn gestärkt und ihn vieles verstehen gelernt haben in seiner Lebenseinstellung und in seinem Glauben.
Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir drei in der kurzen Zeit, bevor er so schwach wurde, mit Martin zusammensein konnten -in Gesprächen, in Gebeten, in der Stille. Abends schaute auch oft Aija‘s Sohn Ivars vorbei. Ein besonderes Geschenk war das letzte gemeinsame Osterfest.
Obwohl es sich abzeichnete, kam sein Tod am Freitagnachmittag sehr schnell. Am Abend zuvor hatte sich sein Zustand verschlechtert. Tabita war bei ihm bis zum Schluss.
In dieser Woche (26.04.-30.04.21) ist Martin‘s Kirche geöffnet und alle, die mögen, können kommen und seiner gedenken.
Die Beerdigung findet kommenden Samstag statt. Es ist der 1. Mai, Aija‘s und Martin‘s Hochzeitstag. Am Samstagmorgen von 09:30 -13:30 Uhr wird es in der Kirche (Krusta baznica) die Möglichkeit geben, von Martin Abschied zu nehmen. Danach wird der Sarg zu einem kleinen Friedhof (Limbiki) etwas außerhalb von Liepaja gebracht. Ganz in der Nähe ist ein großes Wohn-und Pflegeheim (Ilgi), das Martin über viele Jahre betreut hat. Martin hat sich seinen Platz im hintersten vernachlässigt wirkenden Teil ausgesucht, dort, wo die Menschen aus dem Heim beerdigt werden. Sein letztes Projekt, dass er an uns übergeben hat, ist, dort eine einfache Jesus-Statue mit offenen Armen für alle zu errichten. Darunter soll stehen: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken.“
Gita, Tabita un Toms